
Eigener Honig und mittelalterliches Imkerhandwerk am Westfalen-Kolleg Paderborn
In der Tradition der mittelalterlichen Zeidler werden am Westfalen-Kolleg Klotzbeuten hergestellt
Das brütende Teichhuhn im Schilf hätte es vielleicht vorgezogen, wenn der Unterricht am Westfalen-Kolleg Paderborn bis zu den Sommerferien ganz normal weitergelaufen wäre. In gewohnter Ruhe wären ab und zu ein paar Menschen um den Teich gelaufen oder hätten sich mit Büchern und Ordnern an den Tischen unter den Bäumen niedergelassen, um weiter für das Abitur zu lernen. Stattdessen schreit nun immer wieder eine Motorsäge auf und mit Brecheisen, Dechseln und Stechbeiteln wird Holz gespalten und bearbeitet.
Es sind Projekttage am Westfalen-Kolleg: Statt um Mathematik, Soziologie, Chemie, Psychologie oder Latein geht es dort gerade um Siebdruck, Drechseln, Kräuterwiesen, Mode aus Recycling-Material und eben um Klotzbeuten. So nennt man die in Baumstämme gearbeiteten Behausungen für Bienen, die im Fachjargon Beuten genannt werden. Abgeschaut hat man sich diese Technik bei den Zeidlern. Diese schlugen im Mittelalter vielfach in luftiger Höhe Höhlen in Bäume und siedelten dort Bienen an, um anschließend den Honig sammeln zu können. Das Wissen um diese Form der Imkerei war zwischenzeitlich fast in Vergessenheit geraten. Vor allem in Russland und Polen jedoch pflegt man diese Tradition und mittlerweile findet dieses Handwerk von dort ausgehend wieder Verbreitung.
Auch Sabine Bergmann, Demeter Imkerin und Gründungsmitglied der „Internationalen Zeidler Gemeinschaft“, hat ihre Kenntnisse über die Zeidlerei dort erweitert und gibt mittlerweile selber Kurse, wie auch am Westfalen-Kolleg. Ihre Verbindung zum Kolleg ist lange gewachsen, denn dort machte sie selber im Jahr 1991 ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Der Kontakt blieb erhalten und so betreut sie schon seit einiger Zeit ein Bienenvolk auf dem grünen Schulgelände am Fürstenweg zwischen Pader und Rothebach. Den Bienen geht es dort sehr gut und sie finden ausreichend Nektar, auch um den hauseigenen Westfalen-Kolleg-Honig zu produzieren.
So entstand die Idee, gemeinsam mit Studierenden des Kollegs und Schülern der Rudolf-Steiner-Schule im Rahmen eines Projektes Klotzbeuten herzustellen und weitere Völker auf dem weiträumigen Gelände anzusiedeln. Sabine Bergmann betreibt in Verbindung mit dem Schülerhof der Waldorf-Schule ihre „Sa bienen Imkerei“. Die historischen Werkzeuge dafür wurden nach der Überlieferung der alten Schriften eigens handgefertigt. Zugegeben, die Motorsäge, mit der die ersten Schnitte in den Stamm gemacht werden, gehört natürlich nicht dazu. Im Umgang mit diesem nicht ungefährlichen Gerät konnte das Westfalen-Kolleg auf die berufliche Fachkompetenz aus den eigenen Reihen bauen. Adam Schmieding besucht gerade das Kolleg im 2. Semester und hat vor dem erneuten Schulbesuch als Forstwirt gearbeitet. Der Umgang mit der Säge ist ihm also sehr vertraut, aber die Herstellung der Klotzbeuten auch für ihn eine neue Erfahrung.
Nach den ersten maschinellen Schnitten wird der Rest der etwa 30 cm breiten, 1m langen und 36 cm tiefen Höhle, in welche die Bienen später einziehen werden, dann allerdings mühevoll von Hand in den Stamm getrieben. Entsprechend kaputt waren die Studierenden und die Schüler der Rudolf-Steiner-Schule nach den drei Projekttagen, aber auch zufrieden, in der Zeit insgesamt sechs Klotzbeuten hergestellt zu haben. Diese werden im kommenden Jahr am Westfalen-Kolleg und auf Schloss Hamborn von Bienen besiedelt. Die Klotzbeuten bieten auch die Möglichkeit, die Bienen zu füttern und ggf. gegen die Varroamilbe behandeln zu können.
Mit diesen nützlichen und ruhigen Nachbarn wird sich dann auch das Teichhuhn sicher anfreunden können!