
Geflüchtete auf dem zweiten Bildungsweg
Amir (18), Tareq (21), Mohmed (19) und Raith (18) haben den nächsten Schritt geschafft! Sie sind am Westfalen-Kolleg Paderborn vom 1. in das 2. Semester versetzt worden. Das wäre eigentlich noch nicht der Rede wert, allerdings sprach noch vor 2 ½ Jahren keiner von ihnen auch nur ein Wort Deutsch! Im Jahr 2015 sind sie dann aus dem Irak und Syrien nach Deutschland gekommen. Ihre Herkunftsländer und mit ihnen auch ihre Zukunftsperspektiven wurden durch Kriege zerstört.
Aber sie haben Ziele und Wünsche für ihr Leben, die sie trotz aller Widrigkeiten, die sie nicht zu verantworten haben, verfolgen. Sie möchten sich weiterentwickeln und studieren, um etwa Informatiker oder Tiermediziner werden zu können.
Um das erreichen zu können, streben sie gerade am Westfalen-Kolleg Paderborn das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg an. Vor einem halben Jahr haben sie aus dem internationalen Vorbereitungskurs der Schule in den regulären Unterricht gewechselt und lernen dort jetzt mit den einheimischen Kollegiatinnen und Kollegiaten zusammen.
Amir, Tareq, Mohmed und Raith sind die ersten Kollegiaten, die aus dem internationalen Vorkurs in den Regelunterricht wechselten. Nach den Sommerferien folgen insgesamt 10 weitere Frauen und Männer. Den Kurs besuchen erwachsene Geflüchtete, die an den Bildungseinrichtungen, an denen sie vorher waren, eine sehr hohe Motivation und gute Lernfortschritte gezeigt haben und die nun das Abitur oder Fachabitur anstreben. Im einjährigen Vorkurs werden sie in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch, Geschichte und Sport unterrichtet. Natürlich spielen die Sprachförderung sowie die Vermittlung der inhaltlichen und methodischen Grundlagen für das weitere Lernen eine zentrale Rolle. Zudem werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber auch auf die Anforderungen und Erwartungen vorbereitet, die der zweite Bildungsweg an sie als erwachsene Lerner stellen wird.
„Wir sind durch den Vorkurs sehr gut darauf vorbereitet worden, was am Kolleg jetzt von uns erwartet wird“, stellt Mohmed fest. „Und wir werden auch super von den Lehrerinnen und Lehrern unterstützt. Sie machen den Beruf mit Herz! Man merkt auch, dass die Leute in der Klasse schon erwachsen sind und unsere Situation verstehen. Wir kommen gut miteinander klar und lernen auch zusammen. Deutsch ist natürlich noch sehr schwierig für uns, aber dafür kann ich in Mathe oft helfen.“
Mit der Einrichtung des internationalen Vorkurses hat das Westfalen-Kolleg auf eine in dieser Form neue Herausforderung reagiert. Gleichzeitigt sieht Schulleiter Dr. Andreas Müller darin aber auch eine Fortführung der Kernaufgabe der Schule. „Als Weiterbildungskolleg hat das Westfalen-Kolleg Paderborn schon immer den Menschen eine Chance zur höheren schulischen Weiterbildung geboten, die aus den unterschiedlichsten Gründen daran zuvor entweder gehindert wurden oder die zunächst andere Ziele hatten. Dazu zählen natürlich schon seit langem auch viele Menschen mit Migrationshintergrund. Wir entwickeln die Schule natürlich weiter, um insbesondere die sprachliche Weiterentwicklung gezielt zu fördern, aber wir haben darin auch schon Erfahrung.“
Amir, Tareq, Mohmed und Raith freuen sich jetzt erst mal auf die Ferien. Danach werden sie, ebenso wie die 10 Nachfolger aus dem Vorkurs, ihren zweiten Bildungsweg fortsetzen.